Eine der ursprünglichsten Arten der Jagd
Barver. Krähen sind sehr intelligente Vögel. Aber überall dort, wo sie sich niederlassen, zumeist eine Plage. Offensichtlich wissen die tiefschwarzen Federtiere, dass sie in der Nähe von bewohnten Gebieten relativ sicher sind. Jedenfalls vor der klassischen Bejagung durch die heimische Jägerschaft. Den Weidmännern und -frauen ist strengsten untersagt, in Siedlungsnähe ihre Waffen zu benutzen. Das ist gesetzlich manifestiert. Gestattet ist nur das wenig wirksame Mittel der Vergrämung. Vor dem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Krähen-Population zunimmt.
Weil das nicht nur den Jägern ein Dorn im Auge ist, wird immer öfter der 64-jährige Horst Wilke aus Barver gerufen. Er ist im Bereich des Hegerings Hemsloh einer von drei Falknern, die sich unter anderem die Krähen-Bejagung auf die Fahnen geschrieben haben. Wilke ist im Besitz von drei prächtigen Greifvögeln, einem erfahrenen Falkenterzel und zwei Jungtieren - einem dreimonatigen Junghabicht und einem fünfmonatigen Habichtsweib im Rotgefieder.
Der weitab vielbefahrener Straßen in einem Heuerlingshaus im Ortsteil Oldewage der Gemeinde Barver lebende Hobbyfalkner macht schon seit vielen Jahren Jagd auf Krähen. „Mit großem Erfolg“, beschreibt der passionierte Jäger die von ihm ausgeübte besondere Jagdform. Weil seine Vögel bei ihren Einsätzen mit einem Sender ausgestattet seien, könne er sie mach einem Fehlflug schnell wieder auffinden, erklärt er in einem Gespräch mit dem KLÖNSNACK.
Mehr als 50 Jahre ist es inzwischen her, dass der damals heranwachsende Steppke Horst Wilke vom Jagd-Virus infiziert wurde. Beim Herumstreifen durch die Natur fand er immer wieder Nester mit Jungvögeln. Auch eins mit einem kleinen Mäusebussard, den er zu Hause aufpeppelte. „Da stand für mich fest, dass ich mal Falkner werden würde“, erinnert sich der inzwischen in Ehren ergraute 64-Jährige. Bereits mit jungen Jahren erwarb er seinen Jagdschein und schon wenig später die Qualifikation zur Jagdausübung mit Greifvögeln. An seiner Liebe zur Natur und der heimischen Tierwelt hat sich auch im Alter nichts geändert. Neben einem Hybridfalken und den beiden Habichten gehören aktuell auch zwei lebhafte Jagdhunde der Rasse Magyar Visla zu seinen Wegbegleitern im Revier.
Die Falknerarbeit Wilkes findet viel Beachtung. Erst jüngst hatte er Besuch vom rührigen Leiter des Hegerings Hemsloh, Dr. Andreas Schlüsche, der sich ebenfalls stark für das Hobby des in Barver lebenden Weidmannes interessiert. Horst Wilke ist schon viele Jahre Mitglied im Hegering Barnstorf und besitzt auch die Erlaubnis, alle Bereiche des Hegerings Hemsloh zu bejagen - „von Diepholz über Wagenfeld bis nach Barver.“ Ebenso wie die beiden anderen Falkner in der Samtgemeinde Rehden, Reinhard Schilling und Bernd Bening.
Dr. Schlüsche sieht in den facettenreichen Jagd-Möglichkeiten in der Falknerei eine ganz besondere Kunst, zumal Mensch und Greifvogel großes Vertrauen zueinander haben müssten. Er bezeichnet die Jagdausübung mit einem Beizvogel als eine der ursprünglichsten Arten des Jagdwesens. „Ich bin immer wieder fasziniert vom Zusammenspiel zwischen einem Greifvogel im Freiflug, dem Falkner und seinem Jagdhund“, bekennt der Hegeringleiter.
Wilke, in früheren Jahren Mitglied im Orden Deutscher Falkoniere, betreibt sein Hobby gern mit jungen Tieren. Während der Ausbildung müsse er zunächst das Vertrauen des Greifvogels gewinnen. Das erreiche er durch ständige Nähe, durch ganztägiges Tragen auf seiner behandschuhten Hand über einen längeren Zeitraum. Draußen ebenso wie in der Wohnung. „Getrennt sind wir in der Ausbildungsphase eigentlich nur während der Nachtzeit“, schmunzelt Wilke. Wichtig sei, dass der Vogel den schützenden Lederhandschuh auf seiner Hand als etwas Positives sehe, betont er. Erst wenn Falke oder Habicht nach einem Freiflug wieder auf seine Hand zurückkehren würden, seien sie jagdfertig.
Zuvor müsse er aber noch durch entsprechende Fütterung in Kondition gebracht werden und hungrig für und auf die Jagd sein. „Aber auch nicht zu hungrig, dann fehlen Kondition und Kraft.“ Im Übrigen sei jeder Vogel unterschiedlich, auslernen würde er nie. Bejagt werden dürften übrigens nicht nur Krähen, sondern alles, was das Gesetz hergebe und was der Vogel schaffe. „Natürlich kann in kleiner Habicht nicht eine große Gans zur Strecke bringen“, nennt er als unrealistisches Beispiel. Sein Falke sei Weitstreckenjäger, seine Habichte dagegen eher für die Kurzstreckenjagd geeignet. In der Schwingenbreite würden sich seine drei Vögel in etwa gleichen: „100 bis 110 Zentimeter.“
Die Gefahr, dass mal in Greifvogel nicht wieder von einem Beuteflug zurückkehrt, stuft Wilke heute nur noch als gering ein. Auch wegen der Verwendung eines Senders. In früheren Jahren habe er dagegen schon einmal einen seiner Greifvögel von der Insel Rügen zurückholen müssen. Der beringte Vogel (mit Namen und Telefonnummer Wilkes) sei damals wegen zu hoher Thermik in die falsche Richtung geflogen, erinnert sich der Hobbyfalkner. Wegen seiner regionalen Vernetzung mit Gleichgesinnten sei es für ihn heute kein Problem, an Nachwuchs zu kommen.
Mit drei gefiederten Jagdpartnern sieht Wilke sein Kontingent derzeit zwar erfüllt, doch irgendwann in absehbarer Zukunft möchte er gern nochmal mit einem Habichtsadler arbeiten, einem weitaus größeren Greifvogel, „den ich für die Jagd auf Haar- und Federwild einsetzen möchte.“
Gerhard Scheland